General am Sonntag



von: Peter Stübbe

Wieder so ein Sonntag im Sommer. Draußen scheint die Sonne, 25°C im Schatten, im Funkraum gefühlte 19°C wegen des leichten Windes aus der Klimaanlage. Wir hatten gerade die Mittagschicht übernommen. Bei der Übernahme wurde uns der mögliche Besuch eines Generals angedroht, welcher wusste keiner so genau. Er soll zur Zeit auf einer Tagung in der Nähe weilen und beabsichtigt im Anschluss eine seiner Einheiten am Standort zu besuchen.

Wir hofften, dass der Kelch an uns vorüberging und richteten uns auf einen freudlosen Sonntagnachmittag ein. Die erste Runde Kaffee war verteilt, der Wachleiter füllte das Wachbuch aus, alle machten die üblichen Routinearbeiten nach Schichtübernahme.

Weil in der Halbschicht die Aufgaben des PKL's vom Wachleiter übernommen wurden, hatte er sich für eine Kontrollpeilung den A3-LRÜ- Sender eines FuTechnBtl eingestellt. Aus dem Lautsprecher brabbelte der Sprecher mit stark sächsischem Dialekt seine Meldungen. In der LRÜ- Kabine am Ende des Funkraumes saß der OG Müller und tippte die Meldungen, genauso gelangweilt wie der Sprecher, in die Lorenz- Fernschreibmaschine um die Auswertung in Trier zufriedenzustellen.

Plötzlich Unruhe, Telefon, die Wache: "Kasernenkommandant ist gerade auf den Hof gefahren".

Ein Blick durch das Oberlicht der WL- Kabine, tatsächlich, der Kasernenkommandant am Sonntag in der Kaserne lässt nichts Gutes erahnen. Sollte der (welcher eigentlich) General tatsächlich komme? Vorsichtshalber wurden die Aschbecher gereinigt und die Arbeitsplätze in Ordnung gebracht. Jäh waren alle beschäftigt. Aus dem Lautsprecher der Peilanlage brabbelte der Sachse immer noch "nulle, nulle, einundzwanzisch,fuffzehhhhn, siebenundreißisch, fünnef, fünnef, nulle, nulle, siebenundreißisch, von Routinepeilung war im Augenblick keine Rede mehr.

Zwanzig Minuten lief der OvWa schon an der Wache auf und ab, da kam tatsächlich der grüne Opel zur Wache herein. Zehn weitere Minuten später stand der General mit dem Kasernenkommandanten im Schlepp vor der Wachleiterkabine. Der Wachleiter meldet: "Wachgruppe IV bei Erfassung des Fernmeldeaufkommens im Aufgabenbereichs, keine Besonderheiten." Im Hintergrund nuschelte der Sachse immer noch unbeirrt: "einundzwanzisch, fuffzehhhhn, fünneff, drei, achtunfuffzisch".

Zwischenzeitlich ließ sich der General erklären, was zur Zeit im Funkraum geschieht, der Kasernenkommandant immer nervös hinter ihm von einem Bein auf das andere tretend. Er wusste als Chef FmSkt Q auch nicht so genau was die Jungs vom II. Zug FmSkt D eigentlich so trieben. Leider konnte er seine Leute nicht verkaufen, deren Arbeit war so wichtig, dass sie nur an Werktagen im Tagesdienst gemacht werden durfte.

Auf einmal wendete sich der General den Geräuschen aus dem Lautsprecher der Peilanlage zu. Einen Augenblick lauscht er andächtig, dann entwickelte sich folgender Dialog:

"Was haben Sie denn da eingestellt? Was ist das?"

Der Sachse brabbelt respektlos munter drauf zu : "nulle, nulle, einundzwanzisch, neunzehhhzn" (so langsam als schliefe er gleich ein, dann plötzlich schnell und ohne Luft zu holen) "eins, sieben, siebenunvierzisch, nulle, nulle, siebzehn. enundreißisch, einundzwanzisch, siebzehhhn, neinzisch zweiundreißisch".

"Ach das ist ein WZD, den wollte ich gerade peilen" sagte der Wachleiter und würgte dem Sachsen den Saft ab.

Damit war der General aber nicht einverstanden: " nein, nein, Herr Hauptfeldwebel lassen Sie den Sender mal an" wies der General an. "Was ist das, was da aus dem Lautsprecher kommt?".

"Das ist ein LRÜ- Sender, der setzt Luftlagemeldungen ab, Herr General" erklärt der Wachleiter.

"Was machen Sie damit, dass kann doch niemand verstehen" fragt der General.

"Natürlich verstehe ich das, wir nehmen es auch auf." Versicherte der WL dienstbeflissen.

Man sah deutlich, dass dem General der Kamm schwoll: "Sie wollen mir weis machen, dass Sie das verstehen und aufnehmen?" Das können Sie mir nicht einreden!"

Aber natürlich Herr General, der Gefreite Müller in der LRÜ- Kabine schreibt den Sender mit."

Der General rang um Fassung:" Herr Hauptfeldwebel jetzt lassen sie es gut sein, Sie brauchen mir hier keinen Türken bauen, ich glaube nicht, dass dieses Genuschel jemand verstehen, geschweige denn mitschreiben kann!"

Na ja, Herr General, mitgeschrieben wird das ja nicht richtig."

"Sondern?" lauerte der General mit hochrotem Kopf.

"Der Obergefreite Müller schreibt die Meldungen direkt in den Fernschreiber zur Auswertung, das ist einfacher und geht auch schneller".

Der General rang um Luft: " Was wollen Sie mir da erzählen?" Ein  O b e r g e f r e i t e r  schreibt das direkt in die Maschine?"

"Jawohl Herr General."

Abrupt drehte sich der General zur Tür:" Kommen Sie Major, es reicht, wenn ich mich verschaukeln lassen will, brauch ich nicht nach Hambühren zu fahren" und zum Wachleiter: " "Hauptfeldwebel Sie hören von mir, melden Sie sich morgen bei Ihrem Chef!"

Die Tür schlug hinter dem achselzuckenden Kasernenkommandanten zu.

Zurück blieb ein ratloser, völlig perplexer Wachleiter. Er verstand die Welt nicht mehr.