Am 1. Dez. 1957 betrat ich erstmals Hambührener Boden, angereist mit dem damals noch verkehrenden "Heideexpress", einem Triebwagen der Baureihe VT 98, welcher über Schwarmstedt bis Bremen regelmäßig auch in Hambühren und Winsen hielt.
Als ich mich bei meinem Chef Hauptmann Neumann meldete, hörte er gar nicht zu, sondern unterbrach mich gleich mit den Worten "Dreh'n sie sich mal um, ist das die neue Luftwaffenuniform?" Unsere Kompanie in Uetersen war als Versuchskompanie mit neuen blauen Uniformen ausgerüstet worden, hier in Hambühren hatte sie noch keiner zu Gesicht bekommen. Und da meine Gepäckstücke über eine Woche von Uetersen nach Hambühren unterwegs waren, (Kein Mensch kannte in der LW Hambühren, man schrieb noch "Hammbüren"), lief ich gleich rum wie ein bunter Hund. Erst über ein Jahr später wurden auch die anderen Kameraden mit der neuen Uniform ausgerüstet.
Unsere Hauptaufgabe bestand in den ersten Monaten nur darin, die einzelnen Gebäude gründlich zu reinigen und von den vielen Möbeln usw., welche die Engländer bei ihrem Auszug "vergessen" hatten, zu befreien. Viele Blechspinde wurden im Block 12 aus dem obersten Stockwerk unter viel Gejohle aus dem Fenster geworfen, um dann mit der alten "Natoziege" entsorgt zu werden. Viele Teppiche und Läufer wurden auf unseren Zimmern verwendet. Sie erfüllten nützliche Dienste bei plötzlichen Alarmen. Man legte sich auf den Läufer und zog sich unter das Bett bis dicht an die Wand. So konnte man in Ruhe den Alarm verschlafen. Viele Monate später wurden diese für uns sehr nützlichen Utensilien leider aus dem Verkehr gezogen.
Die alte schon erwähnte "Natoziege", ein 3,5 t LKW von Ford, erwies sich oftmals als nützliche Quelle für die Aufbesserung des knappen Taschengeldes der Kraftfahrer. Wenn wir eine Fahrt nach Celle unternahmen, wurde unterwegs ein Preis von ca. 50 Pfennig bis 2 Mark für den Fahrer ausgehandelt, wenn er für einige Zeit auf einer bestimmten Stelle im damaligen Kreisverkehr vor der Celleschen Zeitung mit einer angeblichen Panne stehen blieb. Die Motorhaube wurde geöffnet, die Wartezeit richtete sich nach dem vorher eingesammelten Geld. Nach 10 Min. war der gesamte Verkehr nach und von der Innenstadt nur noch ein einziger Stau, nichts ging mehr. Selbst die Polizei war machtlos. Wenn wir dann den Platz nach ein paar Minuten wieder verließen, war aber das Chaos auch schnell ausgestanden.
Die Anfangsmannschaft war eigentlich eine große Familie. Kameradschaft wurde groß geschrieben, man war nie für sich alleine, machte alles gemeinsam, natürlich auch die Dummheiten, an denen man sich heute so gerne ergötzt. In Wirklichkeit waren sie oft sträflich leichtsinnig und unser Schutzengel hatte oft alle Hände voll zu tun, uns vor größeren Unglücken oder Strafen zu beschützen.
Wir wohnten in einer 4-Mann-Stube in Block 18, der Wache gegenüber. Es gab noch keine Schranke sondern ein großes Doppeltor, fest verankert in zwei großen Pfeilern. Die Wachmannschaft, nur von Soldaten gestellt, patrouillierte zwischen diesen Pfeilern hin und her. Abends schossen wir aus dem dunklen Fenster mit einer Luftpistole auf den Stahlhelm des Postens und freuten uns, wenn wir, durch lauten Klirrton angezeigt, getroffen hatten. Der Kamerad wurde so gezwungen, hinter dem Pfeiler Deckung zu suchen. Einmal trafen wir einen Kameraden in die Hand, die kleine Kugel wanderte ca. 3 cm dicht unter der Haut entlang. Ehe der Verletzte sich von seinem Schreck erholen konnte, hatte ein mutiger Zimmergenosse schon mit einem gezielten Kreuzschnitt mit dem Taschenmesser die Kugel wieder hervor geholt und die Hand mit einem Pflaster versehen, der Wachdienst konnte weitergehen.
Auch Tiere waren zu jener Zeit, in den Anfangsjahren der Bundeswehrzeit der Kaserne, keine Seltenheit. So züchtete ein älterer OFw in dem Kantinengebäude Wellensittiche. Die Treppe im Seitenaufgang wurde oben und unten mit einem Drahtgitter versehen, und da hier auch ein großes Fenster vorhanden war, entstand so eine sehr schöne geräumige Voliere.
Ein Hundemischling ließ sich lange Zeit bei uns regelmäßig sehen, er gehörte zu einer Familie, welche in einer heute längst abgerissenen Baracke in Hambühren 1 wohnte. Bei uns hörte der Hund nur auf den Namen "Gulasch".
Ein bei vielen älteren Kameraden bekannter Hauptmann hatte ein Faible für Adler und Falken. Da er aber leider keinen dieser Arten bekommen konnte, hielt er sich vor dem Offiziersblock einen Bussard, mit dem er dann auf der Hand stolz durch die Kaserne stolzierte. Sonst saß der arme Vogel auf einem Ast vor dem Block.
Besonderes Glück hatten wir mit unserer Kompaniekatze. Sie lief einmal am Tag, auch im stärksten Schneesturm, mit der Außenstreife bis zu den Antennenmasten mit. Anschließend schlief sie lange, tief und fest, im Funkraum auf einem Haufen Antennenkabel. Eines Tages wurde sie leider auf der Bundesstraße überfahren. Mit militärischen Ehren wurde sie hinter dem Wachgebäude bestattet. Die gesamte Wache war angetreten. Der schon oben erwähnte Hauptmann hielt eine kurze Grabrede, dann wurde das Grab geschlossen und über dem Grab von der ganzen Mannschaft ein Schuss Salut geschossen. Eine heute undenkbare Vorstellung.
Als ich 1959 mit einem gebrauchten VW Käfer, Baujahr 1953, Kennzeichen GLA - ... einzog, gehörte ich zu den absoluten Ausnahmen, denn es gab zu der Zeit höchstens 5 - 6 Autobesitzer in der Kaserne. Die Benzinpreise waren natürlich mit den heutigen nicht zu vergleichen, aber unser Gehalt war ja ebenfalls sehr karg bemessen. Als der Benzinpreis stark anzog und von 48 auf über 50 Pfennig anstieg, kam ein alter OFw aus Hannover, der, der auch die Wellensittiche züchtete, auf die Idee, sich eine Tankstelle in der Kaserne installieren zu lassen. So wurde eine verschließbare Zapfsäule mit einem 1000 Liter-Fass unter dem Schleppdach aufgestellt und wir hatten die Möglichkeit, das Benzin billiger als an der Tankstelle zu erstehen. Leider wurde diese Möglichkeit bald wieder abgeschafft.
Eine sehr schöne Erinnerung habe ich an unseren ersten öffentlichen Auftritt in Hambühren. Es wurde vormittags eine Geländeübung in Blauzeug in der Nähe der Kieskuhle an der Aller durchgeführt, unter dem Motto: Macht euch nur nicht so dreckig. Dann versammelten wir uns unter den Eichen in Hambühren I und marschierten unter der Leitung des Luftwaffenmusikkorps durch fast alle Straßen in Hambühren II. (Das waren zu der Zeit noch nicht so viele). Da die Straßen teilweise sehr schmal waren, blieb den vielen mitlaufenden Kindern nur der Platz beim Hauptmann Neumann, der alleine in der Mitte marschierte. Eine Hand hielt er stets auf der umgeschnallten Pistole. Er sah aus und fühlte sich sicher auch so wie der Rattenfänger von Hameln.